Caspar Abt

FELIX RUHL

 

Erkundungen im Abseits

Die Kunst von Caspar Abt führt an die Ränder der Wahrnehmung. Sein Pinsel zeigt uns die Schönheit von Dingen, die sonst nur rasch gebraucht, gehandelt oder vertilgt werden. Eine Handvoll Früchte oder die Landschaft eines Fenchels stecken bei näherer Betrachtung voller künstlerischen Potentials. Auch Transportmittel können romantische Neigungen haben. Massenprodukte wie Autos, willkürlich auf einem Schrottplatz abgestellt, wandeln ihren Charakter, die Technik kommuniziert mit der Natur.

 

Ein Atelierbesuch führt, an Rampen und Lagerhäusern vorbei, an die Peripherie der Stadt. Das Basler Dreispitz-Areal beherbergt ein Zollfreilager und ist Umschlagplatz für Güter aller Art. Die Wirtschaft zeigt sich dort von ihrer materiellen Seite. Lastwagen mit Kennzeichen aus aller Herren Länder bahnen sich qualmend ihren Weg, werden beladen und fädeln sich wieder in die internationalen Transitrouten ein. Ein Kran pickt sich aus enormer Höhe seine Objekte und hievt sie in andere Winkel des Geländes. Im Hintergrund bilden bunte, zu gewaltiger Höhe gestapelte Container eine Wand aus Metall. Einzig das halb versteckte Transitstübli, eine Beiz im Chalet-Stil mit drei an der Fassade thronenden Gartenzwergen, trotzt der rohen Warenwelt. Im dritten Geschoss eines Gebäudes für Logistikfirmen, vorbei an Büros der funktionaleren Art, malt Caspar Abt. Stilleben, eingefrorene Ansichten vom Leben der Dinge, von Hinterlassenschaften. Dort spürt er den Reizen ausgeweideter Orangen, abgeworfener Blätter und leerer Getränkehüllen nach.

 

Natur und Technik tauschen sich aus

Zwei Dinge treiben Abts Imagination immer wieder an – die Natur und die Technik, die er sich begegnen, Kontraste und Rätsel bilden lässt. Die Form des Stillebens gibt ihm freie, der Logik entbundene Räume für seine Inszenierungen. Anders als in der Geschichte der Gattung dient ihm die natura morta nicht zu dekorativen oder emblematischen Zwecken. Es weht kein vanitas vanitatem aus dem Firnis, kein Hauch von Tod und Vergänglichkeit. Zwar haben die Abt’schen Autowracks ihren ursprünglich geplanten Zweck hinter sich gelassen, doch Rost und Moos sorgen für Neubelebung. Als ökologische Mahnmale will er seine Bilder nicht verstanden wissen, ist er doch weder Missionar noch Technikfeind. Caspar Abt begibt sich im Leben und in der Kunst auf die Suche nach der Poesie und findet sie gern in Randgebieten und im scheinbar vernachlässigten Detail. Von seinen Wanderungen im Jura und Elsass bringt der studierte Biologe Schmetterlingsflügel und Steine mit. Auf dem Fahrrad kann man ihn je nach Saison mit Kastanienzweigen oder frisch gepflückten Kirschen treffen. Im Berner Oberland streift er durch verwilderte Autofriedhöfe. Im Atelier sammeln sich Früchte in unterschiedlichen Reifestadien, Blumen, Äste und Blätter, Fotografien und Zeitungsausschnitte. Er kombiniert und recycliert sie, bildet Collagen, wählt Ausschnitte, welche die Gegenstände verfremden oder in neuem Licht erscheinen lassen, ist auf der Suche nach Zufällen, Überraschungen und dynamischen Kontrasten. Belebtes und Unbelebtes, Natur und Technik, Farbe und Schwarzweiss arrangiert er vor-, hinter- und übereinander, setzt Vorder- und Hintergrund in Spannungsverhältnisse. Blumen und Schneckenhäuser kontrastieren mit Autoruinen, Birnen mit Schrottplätzen und eine Madonna von Raffael wirkt hinter Kirschen als guter Geist.

 

Oberflächen mit Tiefenwirkung

Grösste Aufmerksamkeit gilt dem Hintergrund, der weder Dekoration noch Fassade ist. Ihn malt Caspar Abt in der Regel zuerst, wählt einen Farbton und schafft mit mehrmaligen Grundierungen, Experimenten mit eingearbeiteten Papieren oder Sand eine vitale Textur, die bei anderen Malern schon bildtragend sein könnten. Dann kramt er ein Kontrastmittel aus seinem reichen Fundus und lässt den Assoziationen im Abstrakten wie im Konkreten freien Lauf. Wie die klassischen Maler von Stilleben orientiert sich Caspar Abt an der Natur, deren Farben und Formen er mit Liebe zur Authentizität wiedergibt. Bei Objekten aus Flora und Fauna gilt extremer Realismus. Eine Serie von Kastanienblüten malt er rasch und unmittelbar, bevor die Blüten ein neues Stadium erreicht haben.

 

Sein Interesse an der Natur trägt beinahe surrealistische Züge, allerdings ohne den Drang der Surrealisten, das Unterbewusste sichtbar zu machen. Die Verfremdung der Natur entsteht dadurch, dass Caspar Abt für die Hintergründe gern Farben wählt, die im Spektrum der Objekte nicht enthalten sind. Wo sie herkommen und was sie darstellen, verraten sie genauso wenig wie der Fenchel, der vor einer Dorfansicht wuchert.

 

Gesellige Birnen

Das menschliche Treiben, könnte man meinen, ist nicht Abts Sache. Seine Landschaften sind menschenleer. Wo die Renaissance-Maler die Köpfe der Herrscher vor blauen Hintergrund oder ideale Landschaften pflanzten, platziert Abt Früchte, Knospen oder auch mal Dornen. Die Inhaber seiner Fahrzeuge haben sich verflüchtigt. Und doch scheinen die Autowracks Augen zu haben, traurige und träumende, staunende, vielleicht wohlwollend beobachtende.

 

Die Birnen stecken voller Gruppendynamik, sind anlehnungsbedürftig, wenden sich einander zu, sondern sich ab, drängen sich in den Vordergrund oder werden nach hinten geschoben. Seine Gegenstände präsentiert Caspar Abt in ihrer wahren Fülle, mal in der Idealform, mal verdellt und faulend. Viele seiner Objekte sind in den Regalen von Supermärkten und Warenhäusern erhältlich, nach Verkaufskriterien gruppiert und mit Werbebotschaften befrachtet. In Caspar Abts Bildern werden sie nicht nach ihrem ökonomischen Wert bemessen, dürfen zur Ruhe kommen und ein anderes Leben entfalten.