Claudio Orlandi

Die verführerische Zerstörung

Jede Zerstörung, auch wenn sie ein Gefühl des Verlustes und des Verlassenwerdens darstellt, kann verstanden und überwunden werden durch einen Prozess der Ästhetisierung, der den Schmerz, die Leere, in einen ästhetischen Genuss verwandelt. Es kommt wenig überraschend, dass die Ästhetik der Zerstörung als visuelle Empfindung sich als Resultat des Angriffs auf die Twin Towers in New York im menschlichen Bewusstsein manifestierte. Dieser Angriff war, in den schockierenden Worten des deutschen Komponisten Karlheinz Stockhausen, „das grösste Kunstwerk, das je geschaffen wurde“. Die verführerische Zerstörung liegt in dem schmerzhaften Genuss etwas niederzureissen, das du so sorgfältig versucht hast, stabil zu halten. Es gibt eine reine Wahrnehmung des Erhabenen im Wissen, dass du gescheitert bist und im Hochgefühl, dass du gleichzeitig frei bist von Pflicht oder sozialer Konditionierung.

Es gibt nichts Natürliches in der Zerstörung; der primitive Akt der Zerstörung aber ist natürlich. Das Thema von Claudio Orlandis Werk ist nicht die Aktion und auch nicht das Objekt der Zerstörung, sondern das, was aus der Zerstörung wächst: die Transformation der vernichteten Materie. In diesem Sinne können die in dieser Ausstellung präsentierten Werke als eine Ästhetik des Schutts beschrieben werden. Das Paradoxon aber besteht im Unterschied zwischen einem Objekt, das seine Funktionalität verloren hat, und einem Kunstwerk, welches per Definition nie eine Funktion hatte. Das Ziel ist also, alles was funktional ist mit dem Filter der Ästhetik zu interpretieren: Alles, was als Schutt betrachtet würde, wird ästhetisch durch die Verführung der Kunst, um eine berühmte Metapher von Baudrillard zu zitieren.

Die Ausstellung präsentiert zwei Serien von Fotografien, „Ultimate Landscapes“ (Ultimative Landschaften), in der Landschaften, das Naturthema par excellence, interpretiert werden durch die Künstlichkeit des industriellen Materials. „Last World“ (Letzte Welt) steigert die Funktionalität von alltäglichen Objekten, sie werden zu Schutt bevor sie transformiert werden durch die Macht der Kunst als visuelles Spektakel.

Zerstören, um die Landschaft des Schrotts zu transformieren, um die Szenarien der Natur ganz zu lassen. In Claudio Orlandis Werk gibt die Ökologii ihr Reklamieren auf, für die Ambition der viel mächtigeren Botschaft: Die Dichotomie zwischen Schönheit und Hässlichkeit lässt keine Wahl zu, denn schlussendlich ist nichts an und für sich schlecht. Die Wahl zwischen verschiedenen ästhetischen Parametern ist das einzige wahre Paradigma der Schönheit, denn sogar das Abfallprodukt kann im Zusammenhang mit dem, was natürlich schön ist, verführerisch sein.

Die Zerstörung wird also aufgelöst in der gegenseitigen Verführung von Objekten ohne Funktion – das Kunstwerk und der Schutt, die natürliche Landschaft und die Landschaft des Abfalls. In einem metaphorischen Sinn ist die Ökologie des Weltsystems der Archetyp des menschlichen Systems. Wir stellen uns vor, dass jeder kleinste Schrott, jeder Abfall, jede landschaftliche Falte ein Gefühl von Schmerz repräsentiert, von Verlust, von Erniedrigung. Aber alle diese Gefühle haben ihre Funktionalität verloren, um Teil zu werden eines harmlosen Szenarios der Erinnerung, verführerisch, berauschend gar und am Ende erlösend.

Cecilia Paolini