Dae Soo Kim Fotografien
Mit Empfindsamkeit und Zartgefühl geht der, 1955 in Seoul geborene, heute da
und in Paris schaffende und an der Universität Hongik lehrende Dae Soo Kim an
sein Thema heran: Bambus-bamboo. Bambus als vereinzelt hoch aufragende Pflanze, die den Ausblick auf im Nebel liegende und von Wolken verhangene Berge rahmt: `leaves of branch´. Bambusstäbe nahe herangezoomt und wie durch Röntgenstrahlen erleuchtet: `voice of the bamboo´. Bambus als undurchdringlicher Wald von, in regelmässigen Abschnitten markierten Stäben: `colors of bamboo´. Und dann kommt der Augenblick in dem die lanzettförmigen Blätter an den Kronen der Stäbe sichtbar werden, um ein schier undurchdringliches Dunkel anzukündigen: `mr. sun´. Und schliesslich der Blick auf einen Blätterwald, der dem betrachtenden Auge mal die Fächerstruktur:
`in the forest´, dann wieder ein Meer von beweglichen Blättern, die gleich einem Federbusch angeordnet sind, vor Augen führt: `kyotonese´. Die Bambuspflanze wird bis zu 30 Meter hoch und hat in Korea nicht nur hohe Symbolkraft, sondern auch grossen volkswirtschaftlichen Wert. Dieser reicht von der Herstellung von Haushalts- und Gewerbegeräten wie Essstäbchen und Baugerüsten bis hin zu Musik-instrumenten. Als Gemüse sind die Sprossen weltweit hochgeschätzt. Die Pflanze selbst kann zwar durch den Wind gebeugt werden, richtet sich aber immer wieder
auf. Sie wurde den Gelehrten Koreas zum Vorbild für eine untadelige und demütige Lebenshaltung. Als einer der bekanntesten koreanischen Bambusmaler der Joseonperiode gilt Yi Chong (1541-1625). Und wer damals als Hofmaler aufsteigen wollte, liess sich in der Darstellung der Bambuspflanze prüfen.
Dae Soo Kims fotografische Bilder verfügen über einen hohen magischen Gehalt. In der europäischen Kunstgeschichte kennen wie die Bezeichnung der Aura eines Kunstwerks. Dae Soo Kims Werke stehen in dieser Tradition. Er arbeitet in einer der ältesten fotografischen Techniken, die nicht nur lange Haltbarkeit sondern auch einen fein differenzierten Umgang erlauben. Die analoge Kamera wird zum Zeugen seines ganz persönlichen Blickes. Er nähert sich seinem Motiv mal von vorne, geht nahe heran, wählt Ausschnitte, arbeitet mit schrägen Blickachsen und kreiert so neue Relationen von Wirklichkeit. Schwarzweissfilme verfügen über eine hohe Empfindlichkeit, die der Kunstfotograf für seine Bildaussagen auszuloten weiss. Wir werden als Betrachtende zu Zeugen einer Vielfalt von Blickwinkeln und können so auch tief in die Eigenheit dieser Pflanze eintauchen. Sie werden zum Greifen nahe und sind doch durch die Reduzierung auf Schwarz, Grau und Weiss Kontraste unantastbar geworden. Es bleibt ein Staunen und achtsames Betrachten. A.-S. Végh