Konrad Hofer

Das Lied von den Steinen

Jedes Leben hat seine Konstanten. Bei Konrad Hofer sind sie besonders weit zurückzuverfolgen. Schon als Kind nahm er Steine anstelle der hübschen, 

holzgeschnitzten Kühlein. Konrad Hofer erinnert sich nach fünfzig Jahren noch 

genau: «Ich brauchte einfach Steine in den Händen.»

Ebenso treu wie den Steinen ist er seinem frühsten Kinderwunsch geblieben:

Maler werden. Dabei habe er damals an Bildern nur gerade die Titelseiten des 

«Beobachters» gekannt.

Dieses Unbeirrbare, Totale, gewachsen aus emmentalischer Bedächtigkeit, 

bestimmt Hofers Leben und Schaffen. Er weiss, was er will, ohne dass dies ihn zum 

Zufrieden-Selbstsichern verleiten würde. Er ist unheimlich selbstkritisch, vernichtet 

immer wieder Bilder: «Ich lasse nichts Leben, mit dem ich nicht einverstanden bin.»

So sind denn in der Liestaler Ausstellung nur wenige der frühen Werke zu sehen. 

Stilleben mit Krug und Flasche vor einem Fensterkompartiment (um 1955) 

faszinieren  durch die strenggefügte Konstruktion und die malerischen Qualitäten 

erdiger Farbtöne.

Mit der in den frühen Bildern begonnenen Rückführung auf elementare Formen 

beschäftigt sich Hofer bis heute, wobei die Landschaft stets Ausgangspunkt ist. 

Im real Geschauten der Hügel, einer Kuhherde, eines Felsmassivs sucht er nach den

geometrischen Grundformen und macht sie sichtbar in kubischen Abläufen und 

reduzierten Farbformen.

In der Komposition «Abfallende Küste» von 1960 legen sich Steinblöcke als 

gewaltige Horizontale vor ein Meer. Krustiges, kreidiges Weiss zu luzidem Blau 

verstärkt den Eindruck des Grandiosen der Gegend. Kein Wunder,  dass der 

damalige Konservator der Basler Kunsthalle, Arnold Rüdlinger, auf diese 

Farb-Form-Balancen aufmerksam wurde und Hofer 1961 mit anderen 

«jungen Baslern» ausstellte.

Von den gleichsam gebauten Farbgefügen der Bilder geschah der Schritt zum Relief folgerichtig, wie alles bei Hofer. Von 1969 an entstehen tektonische Staffelungen 

aus Holz oder – zum Beispiel an der Fassade der BIZ in Basel – aus Stein. Mit 

seinem Sinn fürs Wesentliche wird Hofer zum idealen Partner für Architekten.

Bei einem Künstler wie Konrad Hofer verklammern sich äussere und innere 

Erlebnisse. Das war um 1975. Lebensmitte. Da findet er die Landschaft seiner Seele. 

In der Provence stiess er «zufällig» auf einen jener Steinbrüche, aus dem schon die 

Römer Blöcke geholt hatten für ihre Wasserleitung beim «Pont du Gard». Durch die 

Abbrüche der Steinhauer entstehen hier immer neue Stufungen. Gevierte, sogar 

Formationen, die an ein antikes Theater erinnern: Orte der Stille und Dramatik, die 

Hofer hätte erfinden können. Hier wird wohl für ihn die heimlich-unheimliche Welt 

des Emmentals ergänzt mit dem heiter-antiken Gott des Südens.

Bis heute sind die Steinbrüche das Hauptthema von Konrad Hofer geblieben. Dort 

sitzt er, ein einsamer Zeichner, skizziert, sinniert. Im Atelier entstehen die Bilder. 

Ihre Eigenart liegt im Ineinandergreifen von malerischen Zonen mit zeichnerischer 

Schraffur. Blendende Helle wird zu tiefsten Schatten gesetzt.

Konrad Hofer findet Bildhieroglyphen für die dynamische Topographie, aber auch 

für die Unbeweglichkeit der Zeit dieser Orte.

«Gewaltige Verschiebungen» heisst eine Serie von Bildern. Helle Blöcke des 

Muschelkalks dominieren als hart konstruierte, schiefe Ebenen die Bildfläche. Man 

denkt an Landepisten für Ausserirdische. Und tatsächlich nennt sich eine andere 

Komposition «Der Schatten des Ikarus», eine dunkle Silhouette über roter Erde.

Konrad Hofer wird hier nicht plötzlich zum Metaphysiker. Aber für einen, der wie 

er im nahtlosen Sein zu Hause ist, gibt es keine Grenzen zwischen erahntem Mythos 

und Realität, zwischen Natur- und Seelenraum.

Annemarie Monteil