Michiyoshi Deguchi

Illusionismus in Zeit und Raum                                              Michiyoshi Degucchi and his artwork

Die Kunst des Illusionismus in der römischen Malerei, ihrem Wieder Aufgreifen in der Renaissance und schliesslich dem Höhepunkt im Barock,  schuf Übergänge zwischen den Medien und erstrebte dreidimensionale Wirkung auf Raum und Körper.

Michiyoshi Deguchi, der an der Mushashino Art University in Japan studiert hat, fand seinen Weg als Künstler von minimalistischen Installationen zum Illusionismus mit seiner Interpretation von Kosmos. Konvex und Halbkugelförmig gewölbte Plexigläser spiegeln Teile des jeweiligen Aussenraums, auf den flachen Bildträger. Das Resultat ist kein trompe l´oeil im Sinne barocker Deckenmalerei, sondern je nach Ausseneinwirkung wandelbar. So vermag die Spiegelung des Lichteinfalls auf ein halbrundes Glas der Transfer eines in der Aussenrealität des Betrachtenden vorhandenen Fensters en miniature sein. Je nach Entfernung des Wandobjektes vom realen Gegenstand sowie der Intensität des Lichteinfalls sehen wir beispielsweise eine mehrteilige Fensterfront samt der von dieser nach aussen hin abgetrennten Gegebenheiten wie sie Architekturausschnitte von Häusern im Aussenraum darstellen. Dann gibt die Halbkugel urplötzlich einen ins Vielfache vergrösserten Raum wieder. Sie wird zum Konvexspiegel, der sowohl ganz nahe sich befindlichen Gegenstand wiedergibt,  als auch Teile der Aussenwelt, die sich in zwei-, drei-  oder vierhundert Metern Entfernung befindet. Nun sind solche Spiegelungen keine Neuerungen. Sie konnten die Betrachtenden der Renaissance wie Zeitge-nossen eines Parmigianino (1503-40) beeindrucken, aber nicht die Sehgewohnheiten von Menschen, die Filme in 3D schauen. Und gerade aus diesem Grund nähere ich mich interessiert dem Dargebotenen. Der Künstler selber schreibt dazu: „My artwork is mainly composed of multiple photographs recording the drawing process and the scene.” Hierauf sei der Akzent auf das `recording´ das Erinnern des Zeichen- und Malprozesses und der dargestellten Landschaft, sei es einer Innen-. oder Aussenlandschaft oder abstrakter Formen. Wie Michiyoshi Deguchi beschreibt, lässt er Bilder von `Nicht-Künstlern´ herstellen, die beispielsweise aus seinem Freundeskreis oder aus seiner Familie kommen.  Selbst Kindern gesteht er zeichnerische Autorität zu und nähert sich damit einer Auffassung der 1920er Jahre wie wir sie von den Gründern des Blauen Reitern in München und Umgebung kennen. Dann erst mischt der Künstler quasi seine Karten neu. Er fotografiert die hergestellten Werke und stellt sie neu und Ausschnitthaft zusammen. Sie bilden den Malgrund. Ergänzend dazu wählt er die Halbkugel und bisweilen originale Formen und  Dinge, die er auf der so geschaffenen Grundfläche appliziert oder aber auch  ohne gestalteten Hintergrund in eine Halbkugel steckt. Wie Scheiben in verschiedener  Dicke und Oberfläche(nfarbe) und getrocknete Blüten an ihren Stielen. Auf jeden Fall entsteht etwas komplett Neues und, je nach gewählten Abbildungen, wie einem Gartenhaus in Tschechien und je nach dem Ort, an dem sein Werk ausgestellt ist, werden  unterschiedliche Assoziationen im Betrachtenden wach. So die holländische Interieurmalerei der Renaissance und frühbarocke Landschaften. Dann wieder stilisierte Pflanzen mit Fingern, die mit einem Kreidestift  zeichnen. „Inner Drawing“ Zeichnung  aus dem Inneren nennt Michiyoshi Deguchi seine Werke, die er mit einer, zwischenzeitlich sechsstelligen Ziffernfolge nummeriert. Sie ragen sämtlich nicht mehr als acht bis elf Zentimeter in den Raum und haben eine Gesamtausdehnung von 30 bis 70 Zentimetern. Doch sie greifen um ein Vielfaches mehr in diesen ein, gleich ob sie ein- oder mehrteilig sind. Natürliches oder künstliches Licht tut das seine dazu. Erinnern, das heisst, – so der Künstler-,  die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden. Und dies mithilfe mehrerer Hände oder Gegenstände, die genau so und nicht anders von Michiyoshi Deguchi kombiniert werden. Und wir als Betrachtende können und sollen uns dazu ein Bild machen. Wir sehen uns sogar pars pro toto auf der gläsernen Oberfläche gespiegelt, werden also Teil seines Kunstwerks, Teil eines der vielfältig aufgefächerten Stillleben.     Andrea-S. Végh, 2012/13